Pearl Dice UD im Test

Pearl Cycles aus dem hohen Norden Deutschlands ist seit rund fünf Jahren auf dem Markt vertreten, trotzdem sind die Rahmen von Roger Tanner hierzulande noch eher selten auf unseren Landstraßen vertreten. Also waren wir umso gespannter eines der Topmodelle aus der aktuellen Pearl-Kollektion unter die Fittiche zu bekommen…

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Unweigerlich muss man beim Anblick des schwarzen Rahmens mit dem weißen Pearl-Schriftzug an die bekannte Piraten-Trilogie mit Johnny Depp als Captain Jack Sparrow denken, welcher mit seiner „Black Pearl“ durch die Karibik schipperte. So kennt das Rad auch nur eine Devise: Rahsegel setzen und maximale Geschwindigkeit voraus…

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Die Ausstattung des Monocoque Rahmens aus unidirektionalem Gelege wird diesem Anspruch nur zu leicht gerecht. So ist am Pearl die brandneue Shimano Dura Ace der 7900er Serie verbaut. Die Übertragung der Fahrerleistung über nimmt eine FSA K-Force Kurbel mit SRM-System welche gleichzeitig diese aufgebrachte Leistung per Display dem Fahrer verdeutlicht. In Sachen Laufräder kommt die neueste Generation Lightweights zum Einsatz.

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Das SRM System, welches sich zwischen Kurbeleinheit und Kettenblatt befindet, berechnet mittels Auswertung der angebrachten vier Dehnmessstreifen und der Trittfrequenz auf rund 2% genau die aktuell aufgebrachte Leistung und zeigt diese per kabelloser Übertragung auf dem Lenkerdisplay an. Im Profizirkus mittlerweile unabdingbar, ist das Messsystem durch seinen extrem hohen Preis von rund 3000 Euro fürs Komplettset mit Kurbeleinheit im Freizeitbereich eher was für gut betuchte Sportler. Trotzdem ist es nett zu sehen, wie viel „Schmalz“ man so zwischenzeitlich auf die Kurbel stemmt.

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Shimanos Topmodell Dura Ace ist indes für Jedermann erschwinglich geworden, nicht zu letzt durch die vielen Internet-Shops. Die neueste Ausgabe, welche im Juni vorgestellt wurde, muss nun erst noch beweisen, ob sie der alten 7800er nicht nur optisch das Wasser reichen kann. Verarbeitungstechnisch hingegen ist der Ersteindruck eher ernüchternd, wenn nicht im Fall der neuen STi sogar enttäuschend.

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Viel Plastik und scharfe Kanten lassen die ansonsten ergonomischen Hebel nicht so harmonisch in der Hand liegen wie die Vorgänger. Man rutscht leicht aus der Oberlenkerposition in die weiträumig ausgesparte Mulde für die Schaltmechanik. Von der Präzision der Mechanik gibt es hingegen nichts zu mäkeln. Die Gänge rasten sauber und knackig ein, ganz wie man es von einer Dura Ace erwartet. Die neuen Bremsen machen darüber hinaus wirklich Spaß und gehören von der reinen Bremsleistung zum Besten was der Markt hergibt. Sauberer Druckpunkt, hohe Verzögerungswerte mit geringer Handkraft.

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Aber zurück zum Herzstück, dem Rahmen. Wie die Angabe in der Modellbezeichung schon verrät, besteht das Geröhr aus unidirektionalen Kohlefasern, sauber verarbeitet und mehrschichtig mit Klarlack überzogen. Interessant ist die Lösung welche Pearl beim Klemmmechanismus für den verbauten Arione Sattel beschreitet. Anstatt es dem Großteil der Hersteller gleich zu tun, klemmt beim Pearl Dice UD die Mechanik über eine „Innenklemmung“ anstatt außen aufzusitzen. Optisch wie technisch unserer Meinung nach die bessere Lösung.

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Auf der Straße macht das 6.9 Kilo Rad eine gute Figur. Nicht zuletzt durch hohe Reserven in der Steifigkeit und die Kettenstreben von 405 Millimetern lässt sich das Pearl leicht um die Kurven zirkeln. Mit einer ausgewogenen Balance aus Härte und Komfort lassen sich auch lange Runden im Sattel bewerkstelligen. Der „Rahmenfluss“ des Dice ist optisch ausgewogen und setzt sich in der integrierten Sattelstütze fort. Leider fügt sich da das 12K Gewebe der Gabel an der Front eher bieder ins Bild.

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Zu den verbauten Laufräder von Lightweight gibt es nicht viel Neues zu sagen, es bestätigen sich unsere Eindrücke aus dem letzten Test der Generation III. Vielmehr haben wir parallel zur Schlauchreifenvariante die neuen Clincher LRS aus dem Hause Carbonsports unter die Lupe genommen. Mehr dazu in einem gesonderten Testbericht in den nächsten Wochen. Auch neu sind die verbauten Schnellspanner mit Lightweight-Logo, welche von Parts of Passion aus der Schweiz hergestellt werden. Die nur 36 Gramm leichten Spanner bauen eine ausreichende Klemmspannung auf und bieten darüber hinaus einen Anschlag…

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Fazit: Pearl Cycles haben mit dem Dice UD wirklich eine Black Pearl auf die Räder gestellt – schwarz und äußerst schnell. Es wurde nicht das letzte Quäntchen Leichtbau aus dem Chassis gequetscht, vielmehr wurde eine reine Fahrmaschine mit ausgewogenen Fahreigenschaften für viele Kilometer und darüber hinaus mit Reserven auch für schwerere Fahrer zusammengestellt. SRM und Lightweight lassen allerdings den Preis in Regionen steigen wo dem gemeinen Rennradler die Tränen in die Augen steigen…


Die technischen Daten:

Pearl Monocoque Rahmen mit ca. 1100 Gramm
Unidirektionales Gewebe, Sloping-Geometrie mit Monostay Hinterbau, Steuerkopf und Tretlager sind zusätzlich mit Kevlar verstärkt.
Gabel: Pearl Matix Vollcarbon mit 420 Gramm
Vorbau und Lenker: Ritchey WCS mit Schmolke Lenker
Sattel: Fizik Arione Carbon
Gruppe: Shimano Dura Ace 7900
Kurbel: FSA K-Force SRM
Laufräder: Lightweight Standard Gen. III mit Conti Comp.
Sattelstütze: Selcof integriert mit Patentklemmung
Design: Pearl UD – andere Designs möglich
UVP des Rahmensets inkl. Gabel, Steuersatz und Sattelstütze: 2.300 EUR

Interview mit Roger Tanner – Geschäftsführer von Pearl Cycles:

Roger, wann hast du mit dem sportlichen Radfahren begonnen?
1986, mit 11 Jahren, war ich in einem Internat in Kapstadt. Damals hatte ich mir beim Leichtathletiktraining Knieprobleme eingehandelt. Mein Arzt empfahl mir Triathlon als Alternative. Das hab ich dann auch gemacht und hab dabei immer die Radstrecken gewonnen.

Wie hat sich deine sportliche Karriere entwickelt?
1989 kam ich dann nach Hamburg, und bin dann 1992 Junioren Vizemeister geworden. Danach war ich ab 1993 in der U23 Bundesliga aktiv. Zum Schluß bin ich 4 Jahre als GS II Profi für Bayer Worringen, jetzt Lamonda, gefahren. In meiner aktiven Zeit war in in der Hamburger Szene auch oft mit Leuten wie Ulle trainieren, das müsste so 1991 bis 1994 gewesen sein.

In deinem Laden hängt ein Foto in Postergröße, auf dem du Seite an Seite bei einem Rennen mit Laurent Jalabert zu sehen bist. Der Untertitel lautet „King for a day, fool for a lifetime“. Was war da los?
Das war ein Foto von einer Bergwertung bei der Asturien Rundfahrt, wo ich zusammen mit Jalabert unterwegs war. Der Untertitel sagt es schon, ich erkannte irgendwann, dass semiprofessioneller Radsport nicht die Erfüllung im Leben sein kann.

Hast du immer noch gute Verbindungen zur Profi-Szene?
Ja, sowohl privat als auch beruflich zu, Beispiel mit Steffen Wesemann, der für mich den Vertrieb in der Schweiz übernimmt, oder auch zu Jörg Ludewig, der jetzt bei Lightweight arbeitet.

Wie ging es dann weiter? Wann hast du Storm Cycles in Hamburg gegründet?
Im April 1999 habe ich dann Storm Cycles gegründet.

Warum hattest du dich entschlossen, mit Pearl Cycles eine eigene Marke aufzubauen?
2003 suchte ich dann eine weitere Herausforderung, ich wollte im Rahmenbau und Design aktiv werden, mich einfach selbst kreativ entfalten.

Du hast sehr gute Verbindungen zur italienischen Hersteller Szene. Wie kam es dazu?
Mit Storm Cycles war ich ein starker Fondriest Händler in Nord Deutschland. Ich bin mit Fondriest befreundet, von ihm habe ich viel gelernt habe, und er hat mich oft unterstützt.

Werden aktuell noch Pearl Rahmen in Italien hergestellt?
Ja, immer noch alle Alu Rahmen und der „Dice“ Carbon.

Mittlerweile hat sich der Anteil der Alurahmen im Pearl High-End Bereich reduziert, es sind ausschließlich Carbonrahmen vertreten. Folgst du da dem Kundenwunsch/ Markttrend, oder bist auch du persönlich von Carbon als Werkstoff überzeugt?

Aluminium ist als Material im Rennradsektor technisch überholt, Aluminium schränkt auch im Rahmendesign ein…Bei Aluminium kann ich die Fahreigenschaften nur über die Legierung beeinflussen Ich bin kürzlich, mal wieder auf einem Scandium Rahmen gefahren, das war vor Jahren das non plus ultra. Das war mir so was von weich. Mit Carbon kann ich an gezielten Punkten die Fahreigenschaften optimieren.

Wer entwickelt bei Pearl die Rahmen?
Ich entwickle die Rahmen selbst. Fahre sie lange als Testbikes, bevor sie in Serie gehen. Von Fahrern die ich sponsere und auch von Freunden aus der Profiszene bekomme ich Feedback. Aber auch die Rahmenbauer an sich, wie z.B. Oria aus Italien bringen ihre Erfahrung ein.

Wie testest du die Rahmen in der Entwicklungsphase, oder in der laufenden Serie?
Wir haben massiv in eigene Prüfstände investiert, weiterhin arbeiten wir mit einem Testinstitut in Italien zusammen, dass regelmäßig unsere Rahmen testet.

Gibt es von Pearl auch Maßrahmen?
Ja, für die Aluminium Rahmen sind Maßrahmen möglich.

Was ist das besondere an Pearl Rahmen, wie setzt du dich auf dem immer einheitlicheren Carbon Markt ab?
Wir haben eine ausgezeichnete Qualitätskontrolle, wir verwenden beste Rohstoffe und bauen qualitativ hochwertige Rahmen. Auch die Optik ist uns sehr wichtig, wir achten auf Details, wie z.B. Innenverlegte Züge uns so weiter.

Gibt es einen Tauschservice für Rahmen die in einem Sturz optisch beschädigt wurden?
Wir überlegen ob wir das einführen.

Bist du ein Weight Weenie?
Nee, natürlich spielt Gewicht eine tragende Rolle. Aber Gewicht um jeden Preis, das mag ich nicht. Das gesunde Mittelmaß, zwischen so leicht wie möglich und doch ohne Einschränkung der Fahreigenschaften, zu finden ist schwer. Wir hatten neulich ein 11,000 Euro Rad eines Mitbewerbers, dessen Namen ich nicht nennen mag, zum testen. Der Rahmen war aus der SUB1 kg Klasse, aber selbst im Tretlager Bereich nicht steif genug.
Natürlich entscheidet der Kunde letztendlich selbst, für welchen Einsatzzweck er welches Rad nutzt, aber leicht um jeden Preis machen wir nicht.

Wie ist deine Meinung zum UCI Gewichtslimit für Rennräder?
Das ist nicht mehr zeitgemäß, aber viele schlimmer finde ich die Vorschrift der Diamantrahmenform. Das ist eine echte Einschränkung der Innovationskraft der gesamten Industrie.

Kannst du uns bitte etwas über den Dice Rahmen erzählen?
Der Rahmen, der in Italien gebaut wird, ist wirklich die perfekte Art und Weise einen Rahmen zu bauen. Wir verwenden sieben verschiede Carbonfasern, um das Material optimal an verschiedenen Stellen einzusetzen. Insbesondere Kevlar Carbon und Aramitfasern, die eine fünfmal höhere Reißfestigkeit haben, als Standard Faser. Abhängig von der Rahmengröße wiegt der Dice um die 1100g, ist also nicht der leichteste, dafür aber auch für 110kg Fahrer problemlos. Er hat ein integriertes Sattelrohr, das kann jeder Käufer mit einem beigelegten Schneidgerät auf die eigene Sitzhöhe absägen. Alternativ könnte man es auch ganz absägen, und dann eine 31,6 Sattelstütze fahren. Das verlängerte Sitzrohr bringt einen leichten Gewichtsvorteil, das Rad wird steifer – aber auch härter. Wir bringen mehrere wirklich fette Lackschichten auf den Rahmen. Als Klarlackfinish nutzen wir einen Lack aus Epoxydharz, auch um Gewicht zu sparen.

Wie geht es mit Pearl weiter, wir haben gesehen das du einen neuen Partner gefunden hast?
Pearl ist ordentlich gewachsen. Ich habe seit April nun einen Partner, der in Pearl investiert hat und den Vertrieb übernehmen wird. Das war für mich notwendig, damit ich mich voll auf Entwicklung und Produktion konzentrieren kann.

Was habt ihr auf der Eurobike Messe Neues präsentiert?
Einen neuen Zeitfahrrahmen mit innenverlegten Zügen und einen Carbon Einstiegsrahmen, der es uns ermöglicht ein Komplettrad mit Ultegra- Ausstattung für 2190 Euro anzubieten.

Baust du dein MTB Sortiment aus?
Es wird einen neuen, sehr leichten Hardtail Rahmen mit integrierter Stütze geben. Weiterhin ein Racefully mit 110mm Heckfederung. Insgesamt werden wir unseren Auftritt im MTB Sektor deutlich stärken. Hier bei uns im Norden, fährt man ja eigentlich mehr Rennrad und Cross, darauf hatten wir uns bis jetzt konzentriert. Aber wir haben derzeit eine starke Nachfrage nach MTB’s.

Roger, danke für das Gespräch.

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